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Selbstwert ­

Stell dir vor, du findest ein Stück Gold. Vielleicht fällt es dir aus den Händen, wird schmutzig und zerkratzt. Hat es seinen Wert verloren? Nein, sein Wert bleibt unverändert. Ähnlich ist es mit uns Menschen. Unsere Identität ist wandelbar, geprägt von verschiedenen Rollen und Interpretationen. Doch unser reines Bewusstsein, das "Ich bin", ist frei von Identifikationen. Selbstmitgefühl bedeutet, sich selbst wertzuschätzen, unabhängig von Leistung oder Besitz.

Stelle Dir vor, Du findest ein Stück Gold. Wahrscheinlich freust Du Dich, da es einen Wert hat. Plötzlich fällt es Dir aus den Händen. Du tritts drauf und schleifst es über den Boden. Das Goldstück ist nun schmutzig und zerkratzt.
Hat dieses Goldstück etwas an seinem Wert verloren? Nein, denn egal, ob es verdreckt, zerkratz und sich in seiner Form verändert, sein Wert bleib erhalten.
Ich habe einen Hund und er heißt Chiko. Wir, d. h. meine Kinder, meine Frau und ich lieben ihn. Leistet er was dafür? Nein, im Gegenteil. Wir müssen ihm Essen geben, ihn pflegen, seinen Kot mehrmals am Tag beim Spazierengehen entsorgen und so einiges anderes tun. Würdest Du ihn fragen, ob er einen Wert hat, würde er Dich einfach anschauen und erwarten, dass Du ihm was zu essen gibst. Die Frage interessiert ihn nicht. Er ist einfach nur da.

Nun, wir sind kein totes Material und kein Tier. Wir Menschen sind viel komplexer. Unser Ich-Bewusstsein hat sich im Laufe der Jahrtausende weiterentwickelt und es bildeten sich unterschiedliche Mentalitäten, die für das Überleben notwendig waren. Der Mensch musste sich an die Umstände anpassen und unterschiedliche Rollen in seiner komplexen Welt einnehmen. Er erkannte, dass das Bild, was die anderen von ihm hatten, für ihn nützlich oder gar lebensnotwendig war. Auch heute tun wir das meist unbewusst. So zum Beispiel als fürsorgender Elternteil, als Angestellter oder Führungskraft oder einfach als ein guter Freund. Sowohl aus der buddhistischen Psychologie als auch aus den Neurowissenschaften kommt die Erkenntnis, dass wir kein festes Ich-Bewusstsein besitzen. Wir haben einen festen Körper, aber unser Geist ist frei und wandelbar. Abhängig von der Situation, in der wir uns befinden und unserer Interpretation übernehmen auf der inneren Bühne unterschiedlichen Persönlichkeitsanteile die Führung. Diese Erfahrung machst Du bestimmt auch. Bei negativer Kritik melden sich zum Beispiel verdrießliche Anteile und schneller als Du denken kannst bist Du in der Rolle des Gekränkten. Innere Muster, die sich in früheren Zeiten, vor allem in der Kindheit gebildet haben, kommen dann automatisch zum Vorschein. Das Selbstwertgefühl ist leider sehr von der Fremdwahrnehmung der anderen abhängig. So könnte man sagen, dass das Fremdbild unser Eigenbild bestimmt.

Ich hörte mal von einem Kongress, bei der Dalai Lama etwas über Minderwertigkeitsgefühle sagen sollte. Dalai Lama verstand diese Frage nicht. Nach mehrmaligen nachfragen vermutete man, dass Dalai Lamas Übersetzer nicht kompetent genug sei. Doch dann stellte man fest, dass dieses Wort in seinem Kulturkreis unbekannt war. Die Vorstellung, dass der Wert eines Menschen minderwertig ist, gibt es in gewissen Kulturkreisen anscheinend nicht.

Etwas Ähnliches aber doch was anderes ist das Selbstmitgefühl. Im Vergleich zum Selbstwert ist das Selbstmitgefühl die freundliche Annahme meines Selbst. Unabhängig was ich leiste und wie ich bin. Dabei geht es nicht um Selbstmitleid, sondern um eine wohlwollende und mitfühlende Haltung sich selbst gegenüber. Es ist wie eine gute Mutter, die ihr Kind in den Armen hält und weiß, dass es wertvoll ist.

Wenn ich Dir die Frage stellen würde, durch was Du Deinen Selbstwert definierst. Was würdest Du sagen? Woran würdest Du als erstes denken?
An Deine Erfolge im Job? An die Leistungen in der Schule? Deine materiellen Besitztümer? Dein Aussehen?

Ein Selbstwert, was sich an sowas festklammert, wird stets auf wackligen Füßen stehen. Der Job und die Besitztürmer können verloren gehen. Man wird älter und das Aussehen verändert sich. Nichts ist von Dauer, alles ist vergänglich.

In manchen Situationen haben wir die Möglichkeit, etwas über uns zu erzählen. So zum Beispiel bei einer Vorstellungsrunde. Was dann meist zu hören ist, klingt in etwa so: „Ich bin 46 Jahre alt, bin verheiratet und von vom Beruf …“ Nach dem „Ich“ folgen Aufzählungen von Eigenschaften, Dingen und Leistungen.

Das Selbst, das wir in der Achtsamkeitspraxis mehr entfallen wollen, ist, ein „Ich bin“. Zu finden sind diese Worte schon im Alten Testament. Da offenbart Gott sich dem Mose auf dessen Frage nach seinem Namen. Und er hört die Worte: „Ich bin, der ich bin“.

Einfach „Ich bin“. Punkt!
Danach kommt nichts mehr. Das ist das reine Bewusst-Sein. Es ist frei von jeglicher Identifikation. Es ist ein Sein ohne Haben.

Öfters schaue ich mir meinen Hund an und denke, wie weise er doch ist. Wau, wau! 🙂