Beim letzten Achtsamkeitsbrief schrieb ich von Sonnenuntergängen und vom Fernweh. Heute möchte ich eine Brücke in die andere Richtung schlagen, hin zum Heimweh, diesem tiefen, manchmal schmerzhaften, Verlangen nach dem Vertrauten. Heimweh entsteht oft in der Ferne, wenn die gewohnte Umgebung und geliebte Menschen fehlen. Es kann Emotionen von Traurigkeit und Angst hervorrufen, aber auch die Wertschätzung für das, was man als „Zuhause“ bezeichnet, vertiefen.
Kennst Du das auch? Dieses Gefühl der Sehnsucht, nicht nur nach Orten und Menschen, sondern nach einem Zustand des Wohlseins und der Geborgenheit? Was ist Deine Heimat? Wo fühlst Du Dich beheimatet, zu Hause? Wo fühlst Du Dich willkommen als Mensch? Wo darfst Du sein, so wie Du bist?
Wie die meisten wissen, bin ich in zwei unterschiedlichen Kulturen aufgewachsen. In der kroatischen und der deutschen. So könnte ich nach Goethes Worte sagen: „Zwei Seelen wohnen, ach, in meiner Brust“. Oft werde ich gefragt, wo ich mich zu Hause fühle. In Kroatien oder in Deutschland? Früher sagte ich, dass ich mich sowohl hier, also in Deutschland, als auch in Kroatien zu Hause fühlen würde. Jetzt spreche ich eher von Seiten im mir, die sich mit gewissen Mentalitäten beheimatet bzw. gut fühlen. So besitzt meine Seele unterschiedliche Sprachen, Bilder und Vorstellungen und lässt, je nachdem wo ich bin, unterschiedliche Anteile auf der Bühne des Lebens tanzen. Manchmal den verspielten und emotionalen und manchmal den analytischen, denkenden und sachlichen Anteil. Ein Land, eine Familie und all das, was dazugehört prägt uns. Ob wir wollen oder nicht. Bis in die tiefste Zelle unseres Körpers speichert sich das Erlebte in uns ein.
Die Begriffe „Heimat“ und „Zuhause“ sind für mich nicht nur physische Orte. Sie sind Gefühlszustände. „Heimat“ verbindet mich mit Erinnerungen, Traditionen und der süßen Melancholie der Vergangenheit. „Zuhause“ ist ein Raum der Freiheit, der Intimität, wo die Maske fällt und das authentische Ich zum Vorschein kommt.
Etwas, was nicht im Außen, in einem selbst gebauten oder gemietetem Haus zu finden ist, sondern tief im Inneren der Seele wohnt. Das, was wir als Ur-Grund, als wahre Heimat nennen können. Einen Ort, der frei von Gut und Schlecht ist. Einen Ort, wo ich willkommen bin, mit all dem, was mich ausmacht. Wo ich einfach sein darf, wie ich bin. Wo ich geborgen bin und heil bin. Wo ich geliebt bin, unabhängig meiner Leistungen und Taten bin. Es ist der Zustand, ein inneres Wissen, dass es in diesem Moment nichts braucht. Dass in diesem Augenblick schon alles da ist. Es ist eine innere Erfahrung, die ich nicht festhalten kann, aber als eine Art Ur-Vertrauen immer wieder wahrnehmen kann. Es ist ein Zustand, wirklich nach Hause zu kommen. Loslassen zu können und zu sein.
In diesem Zustand kann ich echt, unverstellt und unperfekt sein. Kurz gesagt: einfach und ehrlich.
„Spannung ist, wer Du glaubst, sein zu müssen, Entspannung ist, wer Du bist.“ Chinesische Weisheit
Zu oft erlebe ich Menschen, die sich anpassen und verstellen. Die etwas darstellen, was sie nicht sind. Sie fliehen in die Arbeit, führen unnötige Kämpfe im Außen und schotten sich von Menschen und vom wahren Leben ab. Was ihnen fehlt, ist diese innere Heimat. Würden sie diese erfahren, könnten sie ihre Masken abziehen (zumindest für einige Augenblicke) und ihre Ängste und Zwänge verlassen und das Leben in seiner ganzen Fülle erleben.
Hast Du diese inneren Räume der Heimat in Dir schon entdeckt? Jene stillen Winkel Deiner Seele, wo Du einfach „bist“ – ungeschmückt, ehrlich und echt?
Ich schreibe diese Zeilen, weil die Frage nach der Essenz meiner langjährigen Achtsamkeitspraxis in mir widerhallt. Sie ist mehr als eine Sammlung von Techniken und Methoden. Sie ist eine Reise zur Entdeckung der inneren Heimat, wo ich, wo Du, wo wir alle, wirklich zu HAUSE sind.
Was kannst Du konkret tun, um mehr in diese Erfahrung zu kommen?
Entdecke Deine Werte und Überzeugungen: Reflektiere Deine Werte: Was ist Dir im Leben wichtig? Was gibt Dir Sinn? Die Klarheit über Deine Werte kann Dir helfen, ein tiefes Gefühl der Heimat in Dir selbst zu finden.
Sei im Hier und Jetzt: Praktiziere Präsenz: Versuche, vollständig im gegenwärtigen Moment anzukommen. Dies ermöglicht Dir, das Leben intensiver zu spüren und Deine innere Heimat zu erkennen.
Bleib offen und neugierig: Die Entdeckung der inneren Heimat ist eine lebenslange Reise. Bleib offen für Veränderungen und neue Erfahrungen.
Selbstreflexion und Meditation: Praktiziere Meditation oder Achtsamkeitsübungen: Widme täglich einige Minuten der Stille und Reflexion. Dies hilft Dir, die innere Stimme zu hören und besser zu verstehen, was Heimat für Dich bedeutet.
Akzeptiere Dich selbst: Umarme alle Teile von Dir: Die frohen, die traurigen, die starken und die verletzlichen. Jeder Teil von Dir hat ein Zuhause in Deinem Inneren verdient.
Selbstfürsorge: Sei freundlich zu Dir selbst: Nimm Dir Zeit für Dich selbst, erkenne Deine Bedürfnisse und Grenzen an. Selbstfürsorge ist der Schlüssel, um in Kontakt mit Deinem inneren Zuhause zu bleiben.
Die Entdeckung Deiner inneren Heimat ist eine persönliche Reise, die Geduld, Mut und Offenheit erfordert. Jeder Schritt auf diesem Weg ist eine Möglichkeit, tiefer in das wahre Selbst einzutauchen und ein Leben mit mehr Authentizität, Freude und Erfüllung zu führen.