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Die Kranken sind die Gesündesten

Häufig sind es die gesellschaftlichen Bedingungen, die zu Krankheit bei einem Menschen führen. In einer Welt, die Schnelligkeit über Achtsamkeit stellt, erleben wir unnötige Belastungen und Stress. Wir müssen unser Denken ändern, von unrealistischen Erwartungen zu mehr Ehrlichkeit und Selbstfürsorge. Dies ist ein Aufruf zu grundlegendem Wandel, geleitet von Achtsamkeit und Mitgefühl.

In meinen Kursen begegne ich oft Menschen, bei denen ich klar erkenne, dass nicht sie das Problem sind, sondern die Zustände und Dinge, mit denen sie konfrontiert sind. Ich erlebe diese Menschen als intelligent, feinsinnig und reflektiert. Eine neurotische Gesellschaft führt zu Symptomen, die sich sowohl auf der individuellen als auch auf der kollektiven Ebene widerspiegeln. Diese Gesellschaft fragt sich nicht, ob sie etwas falsch macht, sondern verurteilt den Einzelnen und versucht, ihn zu »heilen«: auffällige Kinder beispielsweise, die in der Schule als aggressiv, zappelig oder als verhaltensgestört bezeichnet und mit Psychopharmaka ruhiggestellt werden. Dabei geht es oft um eine natürliche und gesunde Reaktion auf das Erleben in einem für das Kind ungesunden Umfeld. Hier müssten vorrangig diejenigen, die die Ursache des Problems sind, behandelt werden und nicht die, die eine ganz normale Reaktion auf die Umstände zeigen. Auch bei Erwachsenen ist dies zu beobachten. Immer noch stehen in unserem stark wirtschaftsorientierten System Macht, Leistung und Profitstreben im Vordergrund und nicht Achtsamkeit, Wertschätzung und Mitgefühl.

Erich Fromm sagte einmal: »Die Normalsten sind die Kränksten, und die Kranken sind die Gesündesten.« Der renommierte Psychoanalytiker und Philosoph beabsichtigte damit, auf markante Weise darzulegen, dass Menschen mit psychischen Symptomen häufig noch über eine natürliche Wahrnehmung und Empathie verfügen. Diese als »krank« Bezeichneten reagieren mit gesunden Reaktionen auf ein pathogenes Umfeld. Im Kontrast dazu sind die »Normalen« in Fromms Sichtweise so entfremdet von gesunden, reflektierenden Aspekten und einer authentischen menschlichen Wahrnehmung, dass sie eher »roboterhaft« und nur angepasst innerhalb der Gesellschaft agieren.

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Denken wir an den überarbeiteten Manager, der durch Achtsamkeit Erlösung sucht. Die ständige Überforderung, hervorgerufen durch überzogene Erwartungen und Ansprüche seitens der Unternehmen – wie auch seiner eigenen – stellt einen Raubbau am eigenen Körper und der Seele dar. In Japan, gibt es ein Phänomen mit dem Namen: Karōshi, was »Tod durch Überarbeitung« bedeutet. Es erfordert nicht nur Mut, sondern auch kluge Einsicht, sich der Aufrechterhaltung eines fehlerhaften und wankenden Systems zu verweigern.

Weg vom Draufhauen und Durchhalten, hin zur Einsicht, dass das alte System (mein eigenes und das fremde) so nicht weiter funktionieren kann. Es ist ein mutiger Schritt, zuzugeben, dass wir nicht Superman/Superwoman sind. Mut zur Verletzlichkeit und Ehrlichkeit. Dieses Eingeständnis kann der erste Funke sein, um echte Veränderungen anzuzünden – für uns persönlich und vielleicht sogar für das gesamte System.

Und vielleicht ist ein bisschen Achtsamkeit genau das, was es dazu braucht.