Im Menschen wohnt eine tiefe Sehnsucht, die das Göttliche selber ist.
Es ist die Sehnsucht heimzukommen, den Platz zu finden, wo alles gut ist,
wo man geliebt und angenommen wird.
Der Mensch erfährt bald im Leben, dass kein Mensch dem Menschen diese feste Sicherheit geben kann, auch nicht der Liebste.
Es bleibt diese unüberbrückbare Trennung,
bis wir unser wahres Selbst gefunden haben.
Menschen machen sich auf den Weg, weil sie diese tiefe Sehnsucht in sich tragen, die letztlich die Sehnsucht des Göttlichen selber ist.
Oft ist es das Leid, das Scheitern, das uns zur Besinnung bringt und uns an unser wahres Ziel erinnert.
Das Göttliche, der Urgrund ist dieses wahre Ziel, gemeint ist damit unser wahres Wesen, die Rückkehr zur Einheit mit dem Urgrund des Lebens.
– nach Willigis Jäger
In den Jahren bevor mein Zen- und Kontemplationslehrer Willigis Jäger starb, er war schon über 90 Jahre alt und verständlicherweise nicht mehr der Gesündeste, besuchte ich ihn öfters auf dem Benediktushof, und wenn ich ihn fragte, wie es ihm ging, antwortete er immer: „Gut, auch wenn es mir nicht gut geht“. Dabei dachte ich, dass er mich mit seinem Leid nicht belasten will und dass er vielleicht nur positiv sein möchte. Das kennen wir manchmal aus dem Alltag, wenn man gute Miene zu bösem Spiel macht. Etwas, das den Eindruck erweckt, dass man die Dinge einfach schönreden will. Heute verstehe ich seinen Spruch. Man kann sich trotz des Leides gut und heil fühlen. Da gibt es etwas Größeres, etwas Tragendes, was mich in schwierigen Situationen hält. Ich bin persönlich fest davon überzeugt, dass nur auf einer tieferen Ebene Heilung geschehen kann. Und Heilung bedeutet hier, dass der Mensch erfährt, was ihn trägt, wenn alles andere aufhört, ihn zu tragen, wie es Wolfram von Eschenbach sagt. Die Psychologie und die Medizin können den Körper und die Ich-Struktur stärken, aber sie werden uns nicht die Arbeit abnehmen, den Weg der Annahme zu gehen. Das kann uns dann allmählich in die Tiefe des Seins führen. Den Ort, wo wir ganz und vollkommen sind.
Einige meiner Kursteilnehmenden berichten mir, wie sie schon zahlreiche Therapien gemacht haben und sich trotzdem nicht gesund, ganz und zufrieden fühlen würden. Ja, vieles kann an uns jahrzehntelang nagen und uns die Kraft und den Glauben an uns rauben. Nicht alles kann gelöst oder gesund werden. Bei einigen besteht ein mechanistisches Weltbild und sie glauben, dass man den Menschen wie eine Maschine reparieren kann. Das was fehlt, wird substituiert und das was stört, wird entfernt. So funktioniert aber der Mensch und das Menschsein nicht. In vielen Lagen des Lebens gilt es das Unannehmbare anzunehmen. Das ist nicht leicht, und ich weiß das aus eigener Erfahrung. In meinem Leben gab es einige Dinge, die ich anders haben wollte und die mich belasteten. Mit der Zeit begriff ich aber, dass der Widerstand noch mehr Leid verursachte. Manchmal kommen Menschen zu mir mit der Frage, wie sie sich endlich von ihrem Leid befreien können. Das, was ich ihnen dann meist sage, ist, dass möglicherweise nicht das Problem, aber der Widerstand gelöst werden kann. Wenn wir diesen durch die Annahme ersetzten, wird sich auch das Leid verkleinern oder auch ganz auflösen. Der bekannte Psychotherapeut Carl Rogers spricht von der Merkwürdigkeit des Paradoxen: „Wir können uns nicht ändern, wir können uns nicht von demjenigen wegbewegen, was wir sind, bis wir zutiefst akzeptieren, was wir sind. Dann ereignet sich fast unmerklich die Veränderung.“