„Alles Gute verdankt sich liebevoller Disziplin.“ (Peter Horton)
Obwohl ich nicht unbedingt ein Fan von Begriffen wie Fleiß und Disziplin bin, müssen wir ehrlich zugeben, dass wir ohne sie nicht viel im Leben erreichen würden. Das Wort ‚Disziplin‘ stammt aus dem Lateinischen (disziplina, disziplinare) und bezeichnet eine bewusste Selbstkontrolle und Einordnung oder Unterordnung. Letzteres mag nicht so positiv klingen, aber aus meiner Perspektive bedeutet es, den wichtigen Dingen im Leben Priorität zu geben.
Manchmal flüstert uns unser innerer Schweinehund etwas anderes ein. Anstatt rechtzeitig ins Bett zu gehen, möchten wir lieber auf der Couch sitzen bleiben und uns eine weitere Serie anschauen. Wir schieben die notwendige Steuererklärung auf und beschließen stattdessen den Keller aufzuräumen. Oder wir essen das weitere Stück Schokolade, obwohl wir uns kurz davor geschworen haben dies nicht zu tun. Disziplin bedeutet, unser eigenes Verhalten zu kontrollieren, Versuchungen zu widerstehen und Hindernisse zu überwinden. Wenn wir Selbstdisziplin haben, können wir Rückschläge besser bewältigen und sind motivierter, uns langfristig für unsere Bedürfnisse einzusetzen und sie zu verwirklichen.
In meinen Kursen und im Alltag treffe ich sowohl auf Menschen, die sehr diszipliniert sind, als auch auf solche, die glauben, dass Disziplin ihnen schadet. Einige von ihnen sagen Dinge wie: ‚Ich musste immer der Beste in der Schule und im Job sein und mich stets beweisen‘ oder ‚Ich musste mein ganzes Leben lang kämpfen und jetzt stehe ich vor dem Burn-out. In solchen Fällen ist es wichtig, sie daran zu erinnern, freundlich mit sich selbst umzugehen. Zum Beispiel durch Übungen des Mitgefühls, die ich in meinen Kursen regelmäßig anbiete. Es geht darum, manchmal das Harte für das Weiche und das Weiche für das Harte einzusetzen. Für ein achtsames und mitfühlendes Verhalten sich selbst gegenüber benötigen wir halt auch Disziplin. Es geht nicht um eiserne Disziplin, denn diese hinterlässt, wie der Autor Gerhard Reisenberg einmal sagte, rostigen Schrott.
Sport und Spaziergänge bei kaltem Wetter machen nicht immer Spaß, aber sie sind gesund und wichtig für das innere Gleichgewicht. Oft hören wir den Rat, auf unser Gefühl oder unsere Intuition zu hören. Doch unsere Gefühle können uns täuschen. Hinter der vermeintlichen Intuition kann sich der Anteil der Unlust und Faulheit verstecken, und wir denken aber, dass es unsere Intuition ist, die uns was Wichtiges mitteilt, Die Praxis der Achtsamkeit kann uns helfen, das Richtige vom Falschen zu unterscheiden und mehr Klarheit zu gewinnen.
Im intensiven Training von Kampfkünsten erinnere ich mich an den Schweiß und die Erschöpfung, die mir nach jeder Einheit den Antrieb für andere Aktivitäten raubte. Doch diese Herausforderungen waren es wert, denn sie stärkten meinen Körper und Geist. Wir neigen dazu, aufzuhören, wenn es uns gut geht, und die Motivation zu verlieren, wenn es uns schlecht geht. Ein ähnliches Phänomen erleben wir oft in der Meditation, wo Gedanken das ersehnte Gefühl der Stille stören. Der innere Schweinehund gewinnt, wenn wir nachgeben und uns sagen, dass wir es ein anderes Mal versuchen werden. Der Sinn der Praxis liegt ja gerade darin, diese inneren Widerstände zu erkennen und zu überwinden. Denken wir an einen Menschen mit Rückenproblemen, der zur Physiotherapie geht. Anfangs sind die Übungen anstrengend, und er würde sie am liebsten beenden. Er macht aber weiter, weil sie ihm guttun. Nach einiger Zeit der Übung geht es ihm immer besser und er denkt sich, dass er sie nicht mehr bräuchte. Er vernachlässigt sie und die Probleme treten erneut auf. Es geht um kontinuierliches Training; mäßig, aber regelmäßig.
Dranbleiben, heißt die Devise. Und manchmal darf es auch mal hart sein, denn kein Spiel ist spielend zu gewinnen. Hier muss jeder seine Grenzen herausfinden. Die Frage ist dabei immer: Wo unterschreite ich sie und bleibe in der Komfortzone, und wo überschreite ich sie, und mache daraus neue Erfahrungen und wachse über das Alte und Vertraute hinaus. Aber auch, wo überschreite ich sie, wo wird es einfach zu viel.
Manche haben die Vorstellung, dass durch eine Erfahrung, ob auf der geistig-seelischen oder körperlichen Ebene, die Probleme für immer gelöst seien. In der Regel ist das nicht so. Es braucht immer wieder die Praxis, denn wir leben ja nicht in einem statischen Zustand. Täglich sind wir neuen Reizen und Interaktionen im Alltag ausgesetzt und deswegen braucht es ein Training, mit dem wir unser geistig-seelisches Immunsystem fit halten und stärken, damit wir gegen die äußeren und inneren Stürmen standhalten können. Wir kennen das ja auch aus der Medizin. Ein trainiertes Immunsystem, welches z. B. durch Sport, Wechselduschen und mit einer angemessener Konfrontation im Alltag Erfahrungen macht, baut Resilienz, also Widerstandsfähigkeit auf.
Ich möchte dir ein paar praktische Tipps geben, wie du deine Disziplin stärken und gleichzeitig freundlich mit dir selbst umgehen kannst:
1. Setze klare Ziele: Definiere klare und realistische Ziele, die du erreichen möchtest. Wenn du ein Ziel vor Augen hast, fällt es dir leichter, dich zu motivieren und diszipliniert darauf hinzuarbeiten.
2. Plane und organisiere dich: Erstelle einen strukturierten Zeitplan und eine To-do-Liste, um deine Aufgaben und Aktivitäten zu organisieren. Eine gute Planung hilft dir, den Überblick zu behalten und effizienter zu arbeiten.
3. Starte mit kleinen Schritten: Wenn eine Aufgabe besonders herausfordernd erscheint, teile sie in kleinere, machbare Schritte auf. Indem du kleine Erfolge erzielst, stärkst du deine Motivation und Disziplin.
4. Belohne dich selbst: Setze dir Belohnungen für erreichte Ziele oder Meilensteine. Eine Belohnung kann motivierend wirken und dir dabei helfen, deine Disziplin aufrechtzuerhalten.
5. Finde deine Motivation: Identifiziere deine persönlichen Motivationsfaktoren. Was treibt dich an? Halte deine Motivation lebendig, indem du dich regelmäßig daran erinnerst, warum du bestimmte Ziele verfolgst.
6. Sei geduldig mit dir selbst: Disziplin aufzubauen erfordert Zeit und Übung. Sei geduldig und akzeptiere, dass es Rückschläge geben kann. Wichtig ist, dass du immer wieder aufstehst und weitermachst.
7. Finde die Balance: Disziplin bedeutet nicht, dass du dich aufopfern musst. Finde eine gesunde Balance zwischen Disziplin und Selbstfürsorge. Achte darauf, auch genügend Zeit für Erholung, Spaß und Entspannung einzuplanen.
8. Übe Selbstreflexion: Nimm dir regelmäßig Zeit, um über deine Fortschritte, Herausforderungen und Erfahrungen nachzudenken. Selbstreflexion und Achtsamkeit ermöglicht es dir, deine Disziplin zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen.
Und zuletzt, was in meinen Augen besonders wichtig und hilfreich ist: Sich eine unterstützende Umgebung zu schaffen. Umgebe dich mit Menschen, die dich in deinen Zielen unterstützen und ermutigen. Alleine ist es bekanntlich schwieriger am Ball zu bleiben. Deswegen kann auf unserem Weg ein Mentor, eine Freundin oder Freund oder eine Gruppe sehr hilfreich sein. Egal ob es um Sport, das Lernen oder um das Abnehmen geht. Auch in einem Achtsamkeitskurs ist eine Gruppe ein ganz wichtiger Faktor. Die bei mir schon einen Kurs besucht haben, kennen das. Die wenigsten würden wie bei einem Achtsamkeitsretreat für drei oder fünf Tage den ganzen Tag alleine meditieren. Eine Gruppe trägt jeden Einzelnen und sich selbst als Ganzes.
Im Buddhismus ist die Sangha einer der sogenannten drei Juwelen. Was so viel wie Gemeinschaft heißt, die der Lehre folgt und eine Praxis gemeinsam übt. Modern gesprochen kann man auch von einem Netzwerk von Gleichgesinnten reden, die ein ähnliches Ziel haben, wie zum Beispiel die Verwirklichung eines sinnvollen und erfüllten Leben.
Ich hoffe, dass dir dieser Text dir dabei helfen kann, deine Disziplin aufzubauen und gleichzeitig freundlich mit dir selbst umzugehen. Denke daran, dass Disziplin kein Selbstzweck ist, sondern ein Werkzeug, um deine Ziele zu erreichen und ein erfülltes Leben zu führen.