Vielleicht kennst Du die Werbung, die mal auf öffentlichen Plakaten zu sehen war: Wann hast Du das letzte Mal etwas zum ersten Mal gemacht?“.
Ja, wann hast Du das letzte Mal etwas zum ersten Mal gemacht?
Bestimmt hast Du in letzter Zeit mal was Neues erlebt und gemacht. Jeder Mensch macht von Zeit zu Zeit neue Erfahrungen. Manch kleinere, wie das Lesen eines Buches oder das Hören eines Musikstückes und einige größere, wie das Kennenlernen einer für uns wichtigen Person, die Hochzeit, die Geburt eines Kindes oder eine langersehnte Reise in eine ferne Welt.
Was beide Erfahrungen gemeinsam haben ist, dass sie Deine Aufmerksamkeit in Anspruch nahmen. In der Regel, je größer und bedeutungsvoller das Erlebnis, desto größer die Aufmerksamkeit. Und all diese Erfahrungen machen was mit uns. Mit unseren Gefühlen, mit unserem Körper und mit unseren Gedanken. Wie gerne erinnern wir uns an so manche besondere Situationen. Ungern leider auch an die, die nicht so schön waren. Erfahrungen, ob schön oder unschön, gehören einfach zum Leben. Wir lernen daraus und sie machen uns erfahrener, manchmal auch etwas weiser. Es ist also ein Lernen, was niemals aufhört.
Nicht selten höre ich in Gesprächen selbstsichere Aussagen in einem gelangweilten Unterton wie: Das kenne ich schon. Im heutigen Informationszeitalter steht uns eine riesige Menge an Informationen zur Verfügung. Fast alles ist im Internet zu finden. Man muss ja nur „googeln“. Informationen sind aber nicht gleicht Wissen, und Wissen ist noch keine Erfahrung. Erfahrung bedeutet, wenn verstandene Informationen zum Wissen und dies umgesetzt zur Erfahrung wird. Kennen ist somit noch kein Können.
Dass wir bei neuen Sachen bzw. Erfahrungen dazulernen ist klar. Wie ist es aber mit den alten und uns bekannten Dingen? Können wir auch von denen etwas Neues erfahren und lernen? Können wir uns auf den Augenblick, das heißt auf das, was vor uns ist, in welcher Form auch immer, ganz einlassen? Es bewusst und urteilsfrei mit neuen Augen sehen?
Halten wir nicht oft an alten Bildern und Konzepten fest und überschatten diese nicht immer wieder das, was im Augenblick ist? Wir alle unterliegen gewissen Prägungen und Konditionierungen und haben dementsprechend eine bestimmte Wahrnehmungsbrille vor unseren Augen.
Wir sehen meist die Welt nicht so wie sie ist, sondern wie wir sind. Das kennen wir doch alle mehr oder weniger aus unserem Alltag. Sind wir gut aufgestanden und in den Tag gestartet, sieht die Welt ganz anders auf als an schlechten Tagen, wenn sich körperliche Schmerzen und Stress melden. Was davor gut und nett war, wird auf einmal schlecht und böse.
Im MBSR gibt es die sogenannte Rosinenübung. Eine recht einfache, aber dennoch herausfordernde Übung. Herausfordernd deshalb, weil sie so trivial ist. Da nimmt man eine Rosine und soll sie für einige Minuten ganz bewusst wahrnehmen und mit all seinen Sinnen erforschen. Mega langweilig für den heutigen von Zeitdruck gejagten und effizienzorientierten
Es geht darum, sich ganz bewusst auf den Augenblick und das, was vor einem ist, einzulassen. Sehen, als ob es das erste Mal wäre.
Vor lauter Routine und Alltagshetze verpassen wir den Augenblick. Wir er-leben nicht mehr richtig.
Du brauchst für die Übung auch keine Rosine zu nehmen. Nimm Dir dafür Deinen Ehepartner, die Freundin oder Freund oder einen Arbeitskollegen und schau, ob es Dir möglich ist, ihn bzw. sie wieder ganz neu zu sehen, zu er-leben.
Und das gilt auch für Deine selbstschädigenden Bildern über Dich selbst. Den klein machenden aus der Vergangenheit und den Druck erzeugenden, die in der Zukunft liegen; den Idealbildern, wie Du sein solltest oder möchtest.
Versuche in alltäglichen Routinearbeiten Dich selbst und das, was Dich umgibt, ganz bewusst wahr-zunehmen. Vielleicht wirst Du dabei was Neues entdecken. Es ist immer nur das, was in der Gegenwart ist. Die Zeilen, wie Du sie jetzt liest, der Atemzug. Immer einmalig. Entledigen wir uns alter Bilder über andere und uns selbst, werden wir die Welt neu entdecken.