„Zwischen Reiz und Reaktion liegt ein Raum. In diesem Raum liegt unsere Macht zur Wahl unserer Reaktion. In unserer Reaktion liegen unsere Entwicklung und unsere Freiheit.“ (Viktor Frankl)
Achtsamkeit und Meditation ist prozess- und weniger lösungsorientiert. Das heißt nicht, dass es für Probleme keine Lösungen gibt, es bedeutet lediglich, dass wir nicht wie bei manch anderen Methoden nach einem bestimmten, festgelegtem Schema vorgehen. In der Praxis machen wir Bekanntschaft mit Dingen, die uns oft unbewusst sind. Wir handeln oft im Automodus und sind uns zahlreichen Gedanken meist nicht bewusst. Aus denen resultieren nicht selten unliebsame, reaktive Handlungen. Später sagen wir uns dann: „Hätte ich doch anders reagiert“. Ja, im Nachhinein sind wir bekanntlich immer klüger. Das Problem in stressigen Situationen ist, dass wir dabei extrem schnell in die impulsgesteuerten Gehirnregionen hinunterrutschen, die nach dem Steinzeitprinzip funktionieren: Kampf oder Flucht. Für was anderes ist keine Zeit vorhanden. Von Natur aus ein ausgeklügeltes Programm. Eine dritte Option gab bzw. gibt es auch: die Schockstarre. Meistens dann hervorgerufen, wenn beide Alternativen nicht möglich waren oder die Stressbelastung zu groß war. Diesen Totstellreflex kennen wir auch von Tieren. Bekannt ist das auch bei Menschen, wenn sie eine für sie extrem starke seelische Belastung erleben. Für unseren Alltag sind die evolutionsbiologischen Reaktionen nicht immer passend. Das Reden vor dem Publikum, die Kritik des Vorgesetzten oder eine verbale Auseinandersetzung im Alltag sollten uns nicht zum Fliehen oder Kämpfen verleiten. Damit hätten wir keine guten Erfolgsaussichten.
Für stressige Situationen gibt es zahlreiche Methoden, welche zur Entspannung und Problemlösung angeboten werden. Hier möchte ich Ihnen eine aus dem Achtsamkeitsbereich vorstellen.
1. Spüren: Den Körper spüren. Einfach wahrnehmen wie er im Moment da ist und sich dabei bewusst machen, dass man zunächst nichts tun bzw. verändern muss.
2. Fühlen und Benennen: Sich des unangenehmen Gefühls bewusst werden, es fühlen und benennen. Zum Beispiel: „Da ist Angst.“ In dem wir es benennen und beobachten, sind wir das Subjekt, was das Objekt wahrnimmt. Der Beobachter kann somit nicht gleichzeitig das Beobachtete sein. Wir lösen uns somit (zum Teil) von der Identifikation mit dem für uns unangenehmen Gefühl.
3. Atmen: Den Atem wahrnehmen, wie er kommt und geht. Ihn nicht manipulieren, sondern ihn einfach annehmen und beobachten, wie er ist.
4. Wahrnehmung der Gedanken: Wie beeinflusst das Gefühl meine Wahrnehmung und meine Gedanken? Gibt es Ablehnung oder Widerstand, versuche ich die Dinge zu bagatellisieren oder zu dramatisieren? Suche ich nach Schuldigen oder hege ich Schuldgefühle gegenüber mir selbst?
5. Fragen: Was ist das Schlimmste an diesem Gefühl? Was möchte mir das Gefühl sagen? Was würde meinem Körper guttun?
6. Handeln: In Dialog mit dem unangenehmen Gefühl kommen und alternative Handlungen für die gegenwärtige Situation finden. Hilfreich ist dabei, sich authentisch mit dem Gefühl in Verbindung zu setzen.
7. Selbstmitgefühl: Genauso wie man zu einem guten Freund in schwierigen Situationen sein würde, sollte man auch sich selbst begegnen. Freundlich und hilfsbereit. Viele begegnen sich in leidvollen Erfahrungen, also gerade dann, wenn sie Hilfe brauchen, mit Widerstand und Kritik. Die inneren Dialoge können dabei sehr zermürbend sein. Sie sind alles andere als aufbauend und unterstützend. Die Einladung ist, sich in schwierigen Situationen wohlwollend zuzuwenden und sich dabei was Gutes zu tun.
Das Selbstmitgefühl, von dem hier die Rede ist, ist eng mit dem Selbstwert verbunden und ist ein zentraler Punkt für ein zufriedenes Leben. Sich selbst gegenüber mit Würde und Mitgefühl zu begegnen, ist für viele nicht selbstverständlich. Ein freies und sinnerfülltes Leben kann ohne das nicht gelingen. Vieles was wir tun dient nicht nur, um unsere existenziellen Bedürfnisse zu befriedigen, wie die Nahrungsaufnahme und die körperliche und seelische Unversehrtheit. Das reicht für das Überleben, aber nicht für ein sinnerfülltes und glückliches Leben aus.
Wir können noch so viele private und berufliche Erfolge haben, eine gute Beziehung zu anderen Menschen und materiellen Wohlstand, fehlt es aber am Fundament der eigenen Würde, wird alles durch die innere bodenlose Tiefe durchsickern. Dies ist der nie stillende Hunger. Es gleicht einem kranken Menschen, der alles, was er zu sich einnimmt, nicht aufnehmen kann. Die äußere Fülle erfüllt ihn einfach nicht. Die Würde ist das, was uns Halt auf dem grundlosen Grund gibt. Grundlos, weil es keinen Grund gibt einen eigenen Wert zu haben. Es gilt, sich einzigartig und vollkommen so wie man ist zu erfahren. Aus dieser Erkenntnis kann ich dann sagen: Ich bin, der ich bin. Das ist das wahre Selbst-Bewusst-Sein.
Wer mehr zum Thema Selbstmitgefühl und Achtsamkeit erfahren und in einen heilsamen Kontakt mit sich selbst und seinen Gefühlen kommen möchte, kann dies in einem speziell dafür entwickelten Trainingsprogramm tun. Mehr dazu finden Sie unter Selbstmitgef