Mein Gastbeitrag auf www.zeitblueten.com:
Wir leben in einer immer schneller und komplexer werdenden Welt. Täglich müssen wir zahlreiche Entscheidungen treffen – ob beruflich oder privat, ob mehr oder weniger wichtige und dringliche Dinge.
Ein paar Bespiele:
- Die Eltern, die ihr Kind auf eine weiterführende Schule bringen möchten und nicht sicher sind, welche für dieses am besten wäre.
- Der Manager eines Unternehmens, der vor der Entscheidung sitzt, welche Investition er treffen sollte.
- Die junge Dame, die sich ein paar Schuhe kaufen möchte und vor einer immensen Zahl an Angeboten steht und überfordert ist.
Auch junge Menschen, die nach der Schule eine Berufsausbildung oder einen Studiengang wählen müssen, stehen jedes Jahr vor einer großen Herausforderung. Allein in Deutschland gibt es 18.000 Studiengänge und über 300 Ausbildungsberufe.
Die Welt ist globaler geworden und durch die rasante technologische Entwicklung steigt auch die Menge an Informationen, die verarbeitet werden muss. So äußerten sich im Jahr 2011 die Autoren Schiersmann und Thiel, dass die Menschheit in den nächsten 10 Jahren mehr Wissen verarbeiten muss als in den letzten 2500 Jahren zusammen. Diese Menge an Informationen nimmt von Jahr zu Jahr überproportional zu.
Der bekannte Spruch „Wer die Wahl hat, hat die Qual“ bringt es auf den Punkt: Wir haben auf der einen Seite mehr Möglichkeiten, auf der anderen wiederum das Problem, das Wichtige vom Unwichtigen und das Richtige vom Falschen zu trennen.
Entscheidungen treffen: rational oder aus dem Bauch heraus?
Wie gehen wir bei solchen Entscheidungen nun vor? Sollen wir einfach spontan aus dem Bauch heraus – wie man dies üblicherweise sagt – handeln, oder gut überlegt, quasi rational sich das Ganze durch den Kopf gehen lassen und dann entscheiden?
Jeder kennt den wohl gemeinten Ratschlag, gut überlegt eine Entscheidung zu treffen. Heißt gut überlegt viele Informationen zu sammeln und dann diese wie mit einer mathematischen Formel zu berechnen? Sicherlich nicht, wie es wohl die meisten wissen.
Aus meiner Erfahrung gibt es meist zwei Arten von Befürwortern: Die einen, die quasi rational und die anderen, die eher aus dem Bauch heraus entscheiden. Zu behaupten, dass eine ist besser als das andere, wäre aber falsch. Denn wie uns auch die Kognitionsforschung zeigt, gibt es nicht das Entweder-oder, sondern das Sowohl-als-auch.
Wenn es um weniger komplexe Entscheidungen geht (zum Beispiel um eine Rechenaufgabe wie 13 x 21), ist das bewusste Denken von Vorteil. Handelt es sich um Entscheidungen, bei denen viele Faktoren im Spiel sind, ist das unbewusste Denken vorteilhaft.
Beispiel: der Wohnungskauf
Ein Beispiel, das ich gerne nutze und aus eigener Erfahrung kenne, ist der Kauf einer Wohnung. Eine Entscheidung, die nicht so einfach getroffen wird und wohlüberlegt sein soll. Sicher werde ich mir im Vorfeld Gedanken über grundlegende Dinge machen, wie zum Beispiel die Quadratur, die Lage, die Kosten und weiterer für mich wichtigen Dinge, die ich rational fassen und berechnen kann. Das kann ich mit einer Checkliste gut machen.
Habe ich mir dann einige Wohnungen angeschaut und stelle die Kennzahlen gegenüber, kann ich gut vergleichen. Wenn dann aber drei Wohnungen nach rationalen Gesichtspunkten sehr nah beieinanderliegen, werde ich – und das machen wir Menschen in der Regel – das (Bauch-)Gefühl walten lassen. Auch wenn die Rationalisten unter uns behaupten würden, dass die Logik und die Ratio für sie entscheidend sind und sie danach handeln, werden auch sie bei einer Entscheidung unbewusst einem Impuls nachgehen.
Denn wir sind nie ganz rational. Denn das sind Maschinen, aber nicht Menschen.
Das Gegenteil von rational meint hier aber nicht etwas Unvernünftiges. Es ist eher das Potenzial, das im Unbewussten liegt und nicht unserem bewussten Denken zugänglich ist.
Das „komische Gefühl“
Wir nehmen viel mehr über unsere Sinne wahr, als wir denken. Laut wissenschaftlichen Studien kann das Unbewusste 200.000 Mal (!) mehr an Informationen aufnehmen und verarbeiten als der bewusste Verstand. Das meiste, was wir während des Tages wahrnehmen, ist also nur ein Bruchteil des Ganzen. Dadurch erklärt sich auch das bekannte „komische Gefühl“ (Bauchgefühl), das in einer Situation auftauchen kann.
Wenn wir beim Beispiel des Wohnungskaufs bleiben, wäre das nach Sichtung der Checkliste der Aspekt, der in Form eines unstimmigen Gefühls auftauchen könnte. So haben wir möglicherweise eine oder mehrere Informationen unbewusst wahrgenommen, die uns dann bei der Entscheidung zögern lassen.
Vielleicht gab es einige für uns nicht bewusst wahrgenommene nonverbale Kommunikationssignale des Verkäufers, die nicht stimmig mit den Verkaufsdaten sind, oder einen Blick auf etwas, was beiläufig unser Unbewusstes registriert hatte.
Das Unbewusste pausiert nie, es ist ständig aktiv. Wir sollten also auch auf unser Unbewusstes bzw. unsere Intuition hören. Albert Einstein sagte einmal:
Die Intuition ist ein göttliches Geschenk, der denkende Verstand ein treuer Diener. Es ist paradox, dass wir den Diener verehren und die göttliche Gabe entweihen.
„Kann ich meiner Intuition vertrauen?“
Eine Frage, die bei vielen auftaucht: „Wie kann ich wissen, ob mein Gefühl bzw. meine Intuition auch richtig ist?“
Das ist eine wichtige Frage! Denn nicht alles, was als Gefühl auftaucht, muss eine Intuition sein. Viele Erfahrungen die wir im Laufe des Lebens gesammelt haben, können angetriggert durch eine ähnliche Situation später in Form von Gedanken, Bildern, Gefühlen oder Körperempfindungen auftauchen und körperlich reaktiviert werden.
So kann in einer bestimmten Situation ein Gefühl der Angst hochkommen, das uns hemmt und vor einer Entscheidung zurückhält. Falls dies mit einer irrelevanten Vorerfahrung in Bezug zu der aktuellen Entscheidung steht, hat das nichts mit einem stimmigen Gefühl bzw. mit einer Intuition zu tun. Die Kunst dabei ist, das Richtige vom Falschen zu trennen.
Mit Achtsamkeit die unbewussten Intentionen wahrnehmen
Um die unbewussten Intentionen besser wahrnehmen zu können, kann uns die Achtsamkeit helfen. Durch Achtsamkeit können wir in unserem Geist mehr Klarheit erlangen und Wichtiges von Unwichtigem trennen. Sie macht uns bewusster für das, was wir wirklich wollen – für unsere wahren Bedürfnisse.
Die Achtsamkeit unterstützt uns auch, unseren Körper bewusster zu spüren. Der Körper ist ein guter Verbündeter und kann uns signalisieren, was für uns gut ist. Es ist die Weisheit des Körpers.
In einer Kultur, in der man sich kaum Zeit für die achtsamen Momente nimmt, wird alles, was zum Innehalten und Pausieren führt, gern verdrängt. Always-on, überall und immer erreichbar sein, heißt die Devise. So können wir die feinen Botschaften in uns nicht wahrnehmen.
Und wenn der Körper mal wahrgenommen wird, dann meist, wenn es zu viel wird. Wenn es spannt und schmerzt. Eigentlich ein von der Natur gutes und funktionierendes System. Es lädt uns dann ein, auf etwas hinzuschauen und im Leben zu ändern.
Was machen aber die meisten? Sie ignorieren und verdrängen die Signale des Körpers durch Medikamente oder zu viel an Aktivitäten.
Achtsamkeit üben
Um Achtsamkeit zu üben, gibt es formelle und informelle Übungen. Es gibt viele Möglichkeiten, die Praxis der Achtsamkeit im Alltag zu üben. Das kann beispielsweise bei Rot an der Ampel sein: Nicht wie üblich gleich das Handy aus der Tasche ziehen, sondern einfach nur da sein und sich wahrnehmen. Seinen Körper, seinen Atem und die vorbeiziehenden Gedanken im Kopf.
Nichts tun, lediglich wahrnehmen was ist.
Es ist notwendig, sich Ruhepunkte im Leben zu setzen. Sich zu entschleunigen und öfters auch die kleinen Dinge im Alltag wahrzunehmen: das Zwitschern der Vögel, die Brise Luft auf den Wangen, die Sonne am Tag und die Sterne in der Nacht.
Achtsamkeit bedeutet, sich selbst und das Leben, so wie es ist, ganz wahrzunehmen. Jeden Augenblick!
Die Einladung ist auch, mal aus den gängigen Ritualen und Automatismen auszubrechen. Vielleicht auch nur ein einziges Mal. Versuchen Sie einmal Dinge anders zu machen als sonst und seien Sie spontan: einen anderen Weg zur Arbeit nehmen, eine unbekannte Person mit einem Lächeln begrüßen, mit dem Partner zum Tanzen gehen.
Einfach machen, heißt dabei die Parole. Möglicherweise werden Sie dabei Neues entdecken – an sich und der Welt.